Die im Oktober 2022 veröffentlichte ISO/IEC 27001 in der Version 2022 löst die ISO/IEC 27001:2013, wohl wichtigste Norm zur Informationssicherheit, ab und rückt den Datenschutz stärker in den Fokus.
“Während die ISO/IEC 27001:2013 bislang noch Anforderungen an „Informationstechnologie, Sicherheitsverfahren und Informationssicherheitsmanagementsysteme“ im Titel erfasste, greift die ISO/IEC 27001:2022 nun weiter und umfasst „Informationssicherheit, Cybersicherheit und Datenschutz.” – Matthias Herkert
Bei der ISO/IEC 27001 handelt es sich um die wohl international führende Norm für Informationssicherheits-Managementsysteme (ISMS) und damit um den derzeit verbreitetesten und anerkanntesten Standard zur Cyber-Security-Zertifizierung. Entsprechend gespannt warteten fast alle Anwender der Norm auf die Revision der Struktur und Vorgaben.
Im Oktober 2022 veröffentlichte das Internation Accreditation Forum (IAF) nun mit der ISO/IEC 27001:2022 die neue und verbesserte Nachfolge der bisher geltenden ISO 27001:2013.
Der Datenschutz rückt in den Titel der ISO/IEC 27001:2022 auf
Während die ISO/IEC 27001:2013 bislang über ihren Titel noch die Anforderungen an „Informationstechnologie, Sicherheitsverfahren und Informationssicherheitsmanagementsysteme“ erfasste, greift die Neufassung nun weiter und umfasst „Informationssicherheit, Cybersicherheit und Datenschutz“.
Neben der Informationssicherheit der Unternehmenswerte rückt damit nun also auch der Schutz personenbezogener Daten und die kooperative Umsetzung beider Aspekte in den Fokus der Norm.
Dabei ist der Bezug zum Datenschutzrecht im Titel der Norm mehr als nur eine begriffliche Weiterentwicklung.
Denn auch wenn die ISO/IEC 27001:2022 mit nunmehr „nur noch“ 93 statt 114 Controls, einer zeitgemäßen Verschlagwortung und vier statt wie bislang 14 Abschnitten formal kompakter wurde, richtet sie sich gleichzeitig doch auch deutlich stärker auf die zunehmenden Herausforderungen der Cybersicherheit aus, die zukünftig auch den „Stand der Technik“ als Mindestmaß der Datensicherheit im Datenschutzrecht immer stärker prägen werden.
Dabei wurde nur die Vorgabe zur „Entfernung von Werten“ (A.11.2.5) gelöscht, die übrigen Kürzungen des Umfangs gründen in Zusammenfassungen von 56 auf 24 Sicherheitsmaßnahmen. Daneben kamen 11 Maßnahmen neu hinzu, die den Blick auch auf zukünftige Bedrohungsszenarien lenken.
Der Datenschutzbezug in der 27001 nimmt zu
Und hier ist nun auch die Brücke zum Datenschutz offensichtlich.
So fordert die Norm nun unter anderem unter dem Begriff des „Data masking“ Maßnahmen zur Verhinderung der Identifizierung von Personen durch Unberechtigte mittels Datenmaskierung. Da das in diesem Kontext angeführte Hashing direkt auf eine Pseudonymisierung von Daten gerichtet ist, ist der Bezug zur Forderung des Artikel 32 Abs. 1 lit. a DSGVO zur Umsetzung geeigneter Maßnahmen der Pseudonymisierung personenbezogener Daten zur Gewährleistung eines Angemessenen Schutzniveaus und des Datenschutzes durch Technikgestaltung des Artikel 25 DSGVO kaum zu übersehen.
Und auch die Forderung der „Information deletion“, mithin der Löschung von nicht mehr erforderlichen Daten, lässt ohne Weiteres die Parallelen zu den Grundsätzen des Datenschutzes in Artikel 5 DSGVO und zur Forderung der Löschung personenbezogenen Daten bei Zweckentfall erkennen und führt diese nun als verbindlichen Control in die Norm ein.
Was bedeutet die Revision der ISO/IEC 27001 für das Datenschutzmanagement?
Zunächst ändert auch die Revision der ISO/IEC 27001 nichts an der Ausgangssituation, dass die Informationssicherheitsnorm weiterhin keine formal anerkannte Zertifizierungsnorm im Sinne des Artikels 43 DSGVO ist.
Gleichzeitig betont die zunehmend ausdrückliche Berücksichtigung des Datenschutzrechts und der Grundprinzipien des Datenschutzes in den Controls der Norm den Ansatz als integriertes Managementsystem. Wo bislang die Schutzziele Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität und deren Bezug auf die Informationswerte (Assets) gerade in ISM-Systemen im Mittelstand meist singulär betrachtet wurden und die Forderungen anderer Normen und Gesetze vielmals erst über die Compliance-Anforderungen des Anhang A.18, zum Beispiel in Form von GSRV-Listen („Gesetze, Standards, Richtlinien und Verordnungen) Berücksichtigung fanden, fordert die 27001:2022 in der aktuellen Revision zunehmend nicht nur eine Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Aspekte sondern auch deren konkrete Planung, Umsetzung und Nachweisbarkeit.
Die ISO/IEC 27001:2022 als Chance im Datenschutzmanagement
Nach der Veröffentlichung der finalen Version der ISO 27001:2022 am 25. Oktober 2022 kann ein Erstzertifizierungsaudit nach der bisherigen ISO 27001: 2013 letztmalig im Oktober 2023 erfolgen. Eine Erstakkreditierungen nach ISO/IEC 27001:20222 ist ab dem 25. April 2023 möglich. Bestehende Zertifikate müssen innerhalb der Transitionsphase mit einer Frist von drei Jahren bis spätestens 24. Oktober 2025 auf die neuen Anforderungen und Vorgaben umgestellt sein.
Genug Zeit also, ein bereits eingeführtes ISMS um ein prozessorientiertes Datenschutzmanagementsystem zu ergänzen oder die Anforderungen des Datenschutzrechts in Einführungsprojekten aktiv zu berücksichtigen.
In diesem Ansatz wird die zwingende Berücksichtigung der Datenschutzorganisation eine Chance für das Datenschutzmanagement.
SoA und TOM zukünftig aus einem Guss
So kann es viel Sinn machen, die Anwendbarkeitserklärung des ISM-Systems (Statement of Applicability — SoA), die nun ohnehin neu gefasst und aufgebaut werden muss, parallel zur Beschreibung der technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Erfüllung der Vorgaben des Artikel 32 DSGVO weiterzuentwickeln. Denn ob die in der SoA beschriebenen Maßnahmen sich nun auf alle Informationswerte eines Unternehmens beziehen oder lediglich auf personenbezogene Daten – die Maßnahmen der Informationssicherheit werden spätestens ab der Umsetzung der Forderungen der ISO/IEC 27001:2022 auch die Anforderungen an die Datensicherheit und die Nachweisbarkeit im Sinne der DSGVO erfüllen müssen.
Und auch die Pflichten zur vertraglichen Regelung der Einhaltung der erforderlichen Maßnahmen zur Sicherheit der Verarbeitung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber aus Artikel 28 Abs. 3 UAbs. 1 lit. c DSGVO lassen sich zukünftig über die Einbeziehung der SoA wohl ohne größeren Anpassungsaufwand erfüllen.
Fazit
Mit der ISO/IEC 27001:2022 liegt eine moderne und praxisnahe Nachfolge der ISO/IEC 27001:2013 vor. Neben der Weiterentwicklung der bisherigen Handlungsfelder und der Berücksichtigung neuer Risiken und Bedrohungen wurde durch die Revision insbesondere auch die noch stärkere Einbeziehung des Datenschutzrechts in die Gestaltung von Maßnahmen der Informationssicherheit erreicht.
Diese Entwicklung bietet eine große Chance, bei der Gestaltung und Weiterentwicklung integrierter Managementsysteme zukünftig neben den technischen und organisatorischen Aspekten noch stärker als bislang auch juristische Aspekte der Datenschutzrechts einfließen zu lassen.
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