GEDANKEN ZUM POSTMORTALEN DATENSCHUTZ UND ZUM DIGITALEN NACHLASS 

Sozia­le Netz­wer­ke, Cloud-Dienste, Blog-Einträge und E‑Mail-Konten — was pas­siert mit unse­ren per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten und mit den digi­ta­len, personen­bezogenen Spu­ren nach unse­rem Tod und wel­chen Schutz bie­tet das Daten­schutz­recht einem Verstorbenen?

Der grund­le­gen­de Schutz­me­cha­nis­mus des Ver­ar­bei­tungs­ver­bo­tes per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten ent­fällt mit dem Tod und die daten­schutz­recht­li­chen Betrof­fe­nen­rech­te, als höchst­per­sön­li­chen Rech­te des Betrof­fe­nen, gehen nicht auf des­sen Erben über.” – Mat­thi­as Herkert

Das vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt 1983 als Grund­recht aner­kann­te Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­bestimmung als Teil des all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­rechts (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) bezeich­net das Recht jedes Ein­zel­nen, grund­sätzlich selbst über die Preis­gabe und Verar­beitung sei­ner personen­be­zogenen Daten zu bestim­men. Die Euro­päische Datenschutz­grund­verordnung (EU-DSGVO) schützt in die­sem Sin­ne alle personen­bezogenen Daten iden­ti­fi­zier­ter oder iden­ti­fi­zier­ba­rer natür­li­cher Personen.

Bei der Beschäf­ti­gung mit dem Tod und dem inzwi­schen damit unver­meid­lich auch ver­bun­de­nen digi­ta­len Nach­lass, rich­tet sich der Blick auf die Fra­ge, wie das Daten­schutz­recht in Deutsch­land mit den Daten Ver­stor­be­ner umgeht.

Mit wel­chem Recht wie­der­spricht ein Erbe der Ein­wil­li­gung einer ver­stor­be­nen Per­son in den Emp­fang eines News­let­ters? Wor­auf grün­det er den Lösch­an­spruch einer Foto­gra­fie von der Sei­te einer Dis­ko­thek und mit wel­chem Recht for­dert er von Face­book den Zugriff auf den Account der ver­stor­be­nen Person?


Gibt es Daten­schutz nach dem Tod?

Die Beant­wor­tung die­ser Fra­ge scheint erst ein­mal recht einfach.

Denn wäh­rend die Schutz­wir­kung der Men­schen­wür­de aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG auch einen Achtungs­an­spruch, häu­fig auch als Ehr­schutz bezeich­net, und den sozia­len Gel­tungs­wert des Ver­storbenen sieht, erlischt das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht mit dem Tod —  und damit eben auch das aus die­sem abge­lei­te­te Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbstbestimmung.

Und in die­sem Sinn fin­det sich eine Begren­zung des Schut­zes per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten auf leben­de Men­schen auch in Arti­kel 1 Abs. 1 der DSGVO. Dort ist fest­ge­legt, dass das Euro­päi­sche Datenschutz­recht Vor­schrif­ten „zum Schutz natür­li­cher Per­so­nen bei der Ver­ar­bei­tung personenbe­zogener Daten“ enthalte.

Das macht es ein­fach, denn die Qua­li­fi­zie­rung als “natür­li­che Per­son”, als Trä­ger von Rech­ten und Pflich­ten, erlischt mit dem Tod. Da bedarf es dann bereits kei­nes wei­te­ren Blicks in Satz 1 des Erwä­gungs­grun­des 27, der besagt, dass die DSGVO “nicht für die per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten Ver­stor­be­ner” gelte.

Damit wird klar, dass die Datenschutzgrund­verordnung auf per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten Ver­stor­be­ner nicht anwend­bar ist.

Der grund­legende Schutz­me­cha­nis­mus des Verarbeitungs­verbotes per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten ent­fällt mit dem Tod und die daten­schutz­recht­li­chen Betroffenen­rechte, als höchst­per­sön­li­chen Rech­te des Betrof­fe­nen, gehen nicht auf des­sen Erben über.


War’s das? Also kein Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten Verstorbener? 

Natür­lich nicht! Denn das post­mor­ta­le Per­sön­lich­keits­recht grün­det, wie bereits ange­klun­gen, auf dem Schutz der Wür­de und Ehre des Men­schen – und die­se rei­chen über den Tod hinaus.

Und auch der Blick auf Satz 2 des eben erwähn­ten Erwä­gungs­grun­des 27 der EU-DSGVO stellt klar: „Die Mitglied­staaten kön­nen Vor­schriften für die Ver­ar­bei­tung der personen­bezogenen Daten Ver­stor­be­ner vorsehen“.


Das macht wie­der Hoffnung!

Denn auch wenn der deut­sche Gesetz­ge­ber von die­ser Öff­nungs­klau­sel bis­lang kei­nen Gebrauch gemacht hat, wirkt der Schutz der Per­son über deren Lebens­zeit hinaus.

Der Nicht­an­wend­bar­keit der DSGVO und damit der Nicht­an­wend­bar­keit des unmit­tel­ba­ren Daten­schutz­rech­tes steht in Deutsch­land der Schutz des post­mor­ta­len Per­sön­lich­keits­rechts gegen­über. Soweit der Ach­tungs­an­spruch eines Ver­stor­be­nen, der dem Men­schen aus Sicht des Bun­des­ge­richts­hof (BGH) bereits kraft sei­nes Mensch­seins zukommt, reicht, soweit schützt die­ser auch vor Beein­träch­ti­gun­gen durch die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten.

Zwar bleibt es wegen der Nicht­an­wend­bar­keit der DSGVO dabei, dass die Betrof­fe­nen­rech­te der ver­stor­be­nen Per­son nicht auf des­sen Erben über­ge­hen und auch das grund­sätz­li­che Ver­ar­bei­tungs­ver­bot des Daten­schutz­rechts schützt die per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten Ver­stor­be­ner nicht mehr. Doch der post­mor­ta­le Per­sön­lich­keits­schutz schützt Ver­stor­be­ne vor Ver­un­glimp­fung des Andenkens, § 22 S. 3 Kunst­UrhG lässt eine Ver­öf­fent­li­chung von Foto­gra­fien bis 10 Jah­re nach dem Tod des Ver­stor­be­nen nur mit Ein­wil­li­gung des­sen Ange­hö­ri­gen zu und auch der Über­gang der Rech­te und Pflich­ten an Social Media Accounts als Digi­ta­ler Nach­lass an die Erben des Ver­stor­be­nen ist seit dem Urteil des Bun­des­ge­richts­ho­fes aus 2018 geklärt (Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17).


Nach­lass regeln oder ein­fach auf die Erben verlassen?

Und wem die­se Über­le­gun­gen nun doch zu kom­plex sind, wer sich nicht auf die Nach­lass­re­ge­lung durch sei­ne Erben ver­las­sen will oder mög­li­cher­wei­se sehr kon­kre­te Vor­stel­lun­gen vom Umgang mit sei­nem Digi­ta­len Nach­lass hat – der kann zu Leb­zei­ten sel­ber aktiv werden!

Regeln Sie Ihren digi­ta­len Nach­lass und ihr digi­ta­les Erbe! Denn auch hier gilt – der Tod ist mit viel Unsi­cher­heit ver­bun­den, der Nach­lass muss es nicht sein.

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Autor des Artikels:

Matthias Herkert

Leiter Fachbereich Consulting und externer Datenschutzbeauftragter