Art. 27 der Datenschutz-Grundverordnung regelt die Pflicht von nicht innerhalb der europäischen Union niedergelassenen Verantwortlichen, die Personen innerhalb Europas Waren oder Dienstleistungen anbieten, die Bestellung eines in Europa ansässigen „Vertreters“. Da sich in der Praxis die Geschäftstätigkeiten der Unternehmen jedoch meist nicht auf ein einzelnes EU-Land begrenzen, stellt sich vielfach die Frage, wie viele EU-Vertreter ein außereuropäisches Unternehmen bestellen muss und wie viele es sinnvollerweise bestellen sollte.
“Dabei müssen unionsfremde Verantwortliche bei der Bestellung mehrerer EU-Vertreter darauf achten, dass Abstimmungen unter den bestellten Vertretern und ungeklärte Verantwortlichkeiten keinesfalls zu einer Zuständigkeitsverwirrung führen.” – Matthias Herkert
Artikel 27 ist ein wichtiges Element zur Durchsetzung der DSGVO in Drittländern, da die Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten in diesen Ländern keine Hoheitsgewalt ausüben können und Art. 3 Abs. 2 der DSGVO den räumlichen Anwendungsbereich in dies auch auf Drittländer ausdehnt. Dem EU-Vertreter, in seiner Eigenschaft als innerhalb der Union zuverlässig greifbares Kommunikations‑, Verpflichtungs- und Vollstreckungssubjekt, kommt daher mit Blick auf die Rechte der Betroffenen und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden eine zentrale Bedeutung zu.
In der Praxis wird sich die Geschäftstätigkeit der von der Bestellpflicht des Artikel 27 DSGVO betroffenen Unternehmen indes meist nicht auf ein einzelnes europäisches Land begrenzen, sondern sich vielmehr auf mehrere, möglicherweise sogar alle Länder der Union erstrecken. Für die Erfüllung der gesetzlichen Forderungen stellt sich in dieser Situation im ersten Schritt die Frage, wie viele EU-Vertreter ein Unternehmen bestellen muss, um seinen normierten Pflichten nachzukommen.
Gesetzlich klare Situation beim Umfang der zu bestellenden EU-Vertreter
Die Datenschutzgrundverordnung ist an dieser Stelle eindeutig. Gefordert wird die Bestellung eines (!) in der EU niedergelassenen EU-Vertreters. Die formale Bestellfrist ist soweit mit der Bestellung eines einzelnen Vertreters – in Form einer natürlichen oder juristischen Person – bereits erfüllt. Werden die Waren oder Dienstleistungen hierbei nur in einem Land der Union angeboten, muss der EU-Vertreter seine Niederlassung zwingend in diesem Land haben (Art. 27 Abs. 3 DSGVO). Befinden sich die Personen, an die sich die Leistungsangebote richten in mehreren Staaten der Union, kann der außereuropäische Unternehmer innerhalb dieser Länder frei wählen.
Für die Praxis stellt sich daher fast regelmäßig die Frage wie viele EU-Vertreter sinnvollerweise faktisch bestellt werden sollen und in welchen europäischen Zielländern diese ihren Sitz haben sollten.
Faktoren außerhalb des Datenschutzes bestimmen die sinnvolle Anzahl der EU-Vertreter
Während die Bestimmungen des Art. 27 DSGVO zur Vertretung von nicht in der Union niedergelassenen Verantwortlichen die Bestellung eines einzelnen EU-Vertreters ausreichen lässt, ist auf der anderen Seite unstrittig, dass hierdurch die Möglichkeit der Bestellung weiterer EU-Vertreter auf der anderen Seite nicht begrenzt ist. Gemeint ist vielmehr die Bestellung „mindestens“ eines EU-Vertreters mit Niederlassung in einem europäischen Zielmarkt.
Zur Erreichung der mit der Bestellpflicht verfolgten Ziele, insbesondere als Anlaufstelle bei sämtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Betroffenen innerhalb der EU und soweit zur operativen Durchsetzung des Marktortprinzips, wird die Bestellung lediglich eines einzelnen Vertreters in vielen Fällen an praktische Grenzen stoßen. Neben den fast unvermeidlichen Sprachhindernissen sollte bei der Bestellung des EU-Vertreters auch bedacht werden, dass die Datenschutzgrundverordnung unter anderem durch die Öffnungsklausel in den meisten europäischen Ländern durch nationales Datenschutzrecht ergänzt wird. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Bestimmungen durch die in den einzelnen EU-Staaten zuständigen Aufsichtsbehörden sowie territoriale Besonderheiten sollten dem EU-Vertreter jedenfalls bekannt sein, um eine rechtssichere Vertretung des Verantwortlichen gewährleisten zu können.
Dabei müssen unionsfremde Verantwortliche bei der Bestellung mehrerer EU-Vertreter darauf achten, dass Abstimmungen unter den bestellten Vertretern und ungeklärte Verantwortlichkeiten keinesfalls deren Funktion als Anlaufstelle für alle Fragen und Aspekte der Verarbeitung personenbezogener Daten behindern dürfen oder für Aufsichtsbehörden oder Betroffene zu einer Zuständigkeitsverwirrung führen.
Fazit
Für die Beantwortung der Frage, wie viele EU-Vertreter ein unionsfremder Verantwortlicher bestellen sollte, ist in der Praxis regelmäßig eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Die DSGVO lässt laut Art. 27 DSGVO bereits einen EU-Vertreter genügen. Ob jedoch die Bestellung mehrerer EU-Vertretern sinnvoll ist, hängt von weiteren Kriterien ab. Hierbei werden insbesondere die regulatorischen Besonderheiten der Zielmärkte, das individuelle Geschäftsmodell des Unternehmens und die jeweiligen, insbesondere wirtschaftlichen Besonderheiten der betroffenen Unionsstaaten in die Entscheidung mit einfließen. Da für die Vertretung oftmals spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien bestellt werden, rücken über die dortigen Berater Sprachbarrieren in vielen Fällen in den Hintergrund, während, trotz aller Kohärenzbemühungen, die Auslegungen des europäischen Datenschutzrechts durch die in den Ländern zuständigen Aufsichtsbehörden eine entscheidende Rolle spielen können.
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