Einleitung: Digitale „Aufheberitis“ in Unternehmen
Wir alle kennen diesen einen Kollegen, der E‑Mails aus dem Jahr 2005 aufbewahrt, “weil man ja nie weiß”. Und dann ist da noch die IT-Abteilung, die Backups wie wertvolle Familienerbstücke behandelt. Doch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) macht Schluss mit diesem digitalen Messi-Syndrom. Daten sind keine Kunst „für immer“, sondern können auch mal weg. Genau hier kommt das Löschkonzept ins Spiel.
Unternehmen, die es umsetzen, vermeiden nicht nur Bußgelder, sondern erhöhen auch das Vertrauen ihrer Kunden. Denn eines ist sicher: Wer aufgeräumt ist, lebt sicherer – auch digital! – Sonali Mhalas-Bartels
Warum löschen? Weil der EuGH es sagt!
Die DSGVO verlangt in Artikel 5, dass personenbezogene Daten nicht länger gespeichert werden als notwendig. Klingt logisch, oder? Doch 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) noch einmal betont: Wer Daten grundlos hortet, riskiert saftige Strafen. Plötzlich ist das digitale Frühjahrsputzen keine freiwillige Freizeitbeschäftigung mehr, sondern Pflicht.
Zusätzlich ist 2025 das Jahr des Löschens!
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat für 2025 den Schwerpunkt seiner Arbeit auf das Recht auf Löschung nach Art 17 DSGVO gelegt. Das kann auch bedeuten, dass sich Aufsichtsbehörden in Deutschland ganz gezielt an Unternehmen wenden, um deren Löschkonzepte zu prüfen!
Ein Unternehmen in Frankreich musste stolze 800.000 Euro Bußgeld zahlen, weil es keine klare Strategie zur Datenlöschung hatte. Die Aufsichtsbehörde stellte fest: “Alte Kundendaten wurden behandelt wie gute Flaschen Wein – nur, dass sie nicht besser, sondern problematischer wurden.” Wer jetzt noch denkt, ein Löschkonzept sei nur Papierkram, sollte sich darauf einstellen, dass die Aufsichtsbehörden keine Geduld mehr haben.
Grundlagen eines Löschkonzepts nach der DSGVO
Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO dürfen personenbezogene Daten nur so lange gespeichert werden, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, notwendig ist. Nach Erfüllung dieses Zwecks sind die Daten zu löschen, es sei denn, es bestehen gesetzliche Aufbewahrungspflichten oder andere legitime Gründe für eine weitere Speicherung. Ein Löschkonzept dient dazu, diese Anforderungen systematisch und nachvollziehbar umzusetzen.
Das perfekte Löschkonzept – Kein Hexenwerk
- Welche Daten haben wir überhaupt? Unternehmen müssen erst mal feststellen, welche personenbezogenen Daten sie überhaupt speichern. Viele sind dabei überrascht: “Ach, das haben wir auch noch?”
- Wie lange dürfen sie bleiben? Es gibt gesetzliche Aufbewahrungsfristen, aber auch Daten, die längst überfällig sind. Ein Vertrag aus dem Jahr 1998? Time to say goodbye!
- Wer ist verantwortlich? Hier passiert oft ein Missverständnis: “Die IT soll das regeln!” Aber: Datenschutz ist Teamarbeit. Jeder Fachbereich muss wissen, wann Daten gelöscht werden müssen.
- Automatisierung ist der Schlüssel Moderne Systeme können Daten automatisiert löschen. Theoretisch. Praktisch lässt sich manche IT-Abteilung nur schwer von ihren Datensammlungen trennen.
- Löschen heißt wirklich löschen! “Archivieren” ist nicht gleich “löschen”. Wer denkt, dass ein Ordner mit dem Namen “Alte Daten” DSGVO-konform ist, wird eine unangenehme Begegnung mit der Datenschutzaufsicht haben.
Ein effektives Löschkonzept umfasst daher folgende Schritte:
- Identifikation der zu löschenden Daten: Ermittlung der verschiedenen Datenarten, wie Personalstammdaten oder Vertragsdaten, und Zuordnung spezifischer Datenobjekte, beispielsweise Name, Geburtsdatum oder Vertragsnummer.
- Erfassung der datenhaltenden Systeme und Datenflüsse: Analyse, in welchen IT-Systemen die Daten gespeichert sind und wie sie zwischen diesen Systemen übertragen werden. Dies ermöglicht eine gezielte und vollständige Löschung.
- Festlegung von Löschfristen: Definition konkreter Zeiträume, nach denen Daten zu löschen sind, unter Berücksichtigung gesetzlicher Aufbewahrungsfristen und betrieblicher Erfordernisse.
- Implementierung technischer und organisatorischer Maßnahmen: Einrichtung von Prozessen und Systemen, die eine fristgerechte Löschung gewährleisten und dokumentieren.
Löschen mit Stil – Beispiele aus der Praxis
- Die Phantom-Kunden: Ein Online-Shop entdeckte, dass er noch Kundendaten von Nutzern hatte, die seit zehn Jahren nichts mehr gekauft hatten. Löschen? “Aber vielleicht kommen sie zurück!” Leider war das für die Behörde kein Argument.
- Die ewige Newsletter-Liste: Ein Unternehmen wunderte sich über Beschwerden, weil es immer noch Mails an Kunden verschickte, die sich 2016 abgemeldet hatten. “Ach, das waren doch gute Kunden!” Aber DSGVO-konform? Fehlanzeige.
Aktuelle Rechtsprechung und ihre Auswirkungen
Die Rechtsprechung des Jahres 2024 hat die Anforderungen an Löschkonzepte weiter konkretisiert:
- Erweiterte Befugnisse der Aufsichtsbehörden: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 14. März 2024, dass Datenschutzaufsichtsbehörden die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten auch ohne Antrag der betroffenen Person anordnen dürfen, wenn dies zur Sicherstellung der DSGVO-Compliance erforderlich ist.
- Keine Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats: Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass die Erstellung eines Löschkonzepts keine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit des Betriebsrats darstellt, da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers handelt.
- Bußgelder bei fehlenden Löschkonzepten: In mehreren Fällen wurden erhebliche Bußgelder verhängt, weil Unternehmen kein ausreichendes Löschkonzept implementiert hatten. Beispielsweise verhängte die französische Datenschutzbehörde im Dezember 2022 wie oben erwähnt ein Bußgeld gegen einen Kommunikationsanbieter, der über kein Löschkonzept verfügte und keine regelmäßige Überprüfung der Datenbestände vornahm.
Ausnahmen von der Löschpflicht
- Die DSGVO sieht in Art. 17 Abs. 3 bestimmte Ausnahmen von der Löschpflicht vor, beispielsweise wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist. Dies betrifft insbesondere gesetzliche Aufbewahrungspflichten, wie sie in § 257 HGB und § 147 AO geregelt sind. Während dieser Fristen dürfen die entsprechenden Daten nicht gelöscht werden.
Fazit: Löschen ist nicht das Ende, sondern ein Neuanfang
Ein gutes Löschkonzept ist kein Zeichen von Kontrollverlust, sondern von Professionalität.
Unternehmen sollten die aktuellen rechtlichen Entwicklungen berücksichtigen und ihre internen Prozesse entsprechend anpassen, um Risiken wie Bußgelder oder Reputationsverluste zu minimieren. Die Implementierung eines solchen Konzepts erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Datenschutzbeauftragten, IT-Abteilungen und der Geschäftsführung.
Was Sie noch interessieren könnte:
Löschkonzept nach DSGVO: Warum Daten wegkönnen, ja sogar müssen!
Einleitung: Digitale „Aufheberitis“ in Unternehmen Wir alle kennen diesen einen Kollegen, der E‑Mails aus dem Jahr 2005 aufbewahrt, “weil […]
Das Berechtigte Interesse – Worauf bei der Heranziehung als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung zu achten ist
Möchte man personenbezogene Daten verarbeiten, kommt man nicht umhin, sich mit der dafür erforderlichen Rechtsgrundlage zu beschäftigen. Gerne wird […]
Neues Jahr – neue Themen…
Ein neues Jahr bringt auch eine neue Datenschutz-Agenda mit sich – Zeit um sich diejenigen Themen anzusehen, die das […]