Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist in seinen IT-Grundschutz-Empfehlungen von der Vorgabe eines regelmäßigen Passwortwechsels abgerückt. Damit könnte ein »Traum vieler Anwender« wahr werden, die nun nicht mehr regelmäßig ihr Passwort neu vergeben müssten. Was steckt hinter der Empfehlung des BSI und wie lässt sich das in der Praxis der IT-Sicherheit umsetzen?
“Die allmonatliche Aufforderung der Eingabe eines neuen Passwortes, die dann einen Wechsel des Logins von »paul123« auf »paul456« auslöste, dürfte bald der Vergangenheit angehören.” – Matthias Herkert
Das IT-Grundschutz-Kompendium zum Stand der Technik
Das IT-Grundschutz-Kompendium, eines der wichtigsten »Werkzeuge für Informationssicherheit« des BSI, erläutert nicht nur mögliche Gefährdungen der IT-Sicherheit und empfiehlt geeignete Sicherheitsanforderungen, für viele Unternehmen ist das Kompendium auch von hoher Zertifizierungsrelevanz. Daher überrascht es kaum, dass IT-Sicherheitsexperten regelmäßig gespannt auf die Aktualisierungen des Werkes warten. Seit dem 01.02.2020 ist nun das IT-Grundschutz-Kompendium Edition 2020 verfügbar (über diesen LINK kommen Sie zur Unterseite des BSI) und löst das IT-Grundschutz-Kompendium Edition 2019 ab, das seit dem 04.02.2019 Zertifizierungsrelevanz hatte (HIER geht es zum Kompendium 2019 auf der Unterseite des BSI).
Der zeitgesteuerte Wechsel von Passwörtern soll vermieden werden
Eine der für die IT-Anwender in den Betrieben und Einrichtungen sicherlich rasch spürbare Änderung betrifft den Umgang mit Passworten.
Während das IT-Grundschutz-Kompendium 2019 in Teil ORP.4.A8 noch regelte »Passwörter sollten in angemessenen Zeitabständen geändert werden«, wurde diese Empfehlung nun ersatzlos aus den Regelungen des Passwortgebrauchs gestrichen. Im Weiteren belässt der BSI es nicht nur bei einem Wegfall der Vorgabe sondern regelt in Teil ORP.4.A23 »zeitgesteuerte Wechsel [der Passwörter] sollten vermieden werden«.
Empfehlung entspricht der Auffassung der Aufsichtsbehörden
Mit dieser Empfehlung schließt der BSI nun an die Grundlinien an, die auch im Bereich Datenschutz immer klarer wurden. So hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg (LfDI BW) bereits Mitte Februar 2019 in seinen »Hinweise zum Umgang mit Passwörtern« (HIER geht es zur Empfehlung des LfDI BW) festgestellt, dass eine erzwungene regelmäßige Änderung von Passwörtern überholt sei und Administratoren die Nutzer stattdessen für sichere Passwörter sensibilisieren sollten (wir haben in unserem Beitrag vom 3. Mai 2019 »Passwortsicherheit rückt in den Beratungsfokus der Aufsichtsbehörde« hierzu berichtet).
Wie kommt es zu dem Wechsel
Wie kommt es nun zu der geänderten Empfehlung? Während früher deutlich geringere Anforderungen an die Komplexität von Passwörtern gestellt wurden, haben die Anforderungen an die Gestaltung der Authentifizierung in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen.
Vertrat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in seinem Tätigkeitsbericht 1991 – 1992 (S. 193) noch die Empfehlung, Passwörter sollten nicht nur aus dem Vor- und Familiennahmen des Benutzers bestehen sondern vielmehr aus einer Kombination von Buchstaben und Zahlen gebildet werden (HIER geht’s zum 14. TB des Bundesbeauftragten), gehen die aktuellen Passwortempfehlungen sehr viel weiter.
Die rasch wachsenden Anforderungen an die Passwortkomplexität gründen hierbei insbesondere in den technischen Möglichkeiten, die Hackern heute zur Verfügung stehen. Waren noch vor wenigen Jahren das »abhören« von Passworten in IT-Netzwerken (sniffing) und das Ausspähen des Passwortes während der Eingabe wahrscheinliche Risikoszenarien, sind Phishings und Social Engineerings, der Diebstahl von Hash-Dateien unter anderem im Rahmen von Data Breaches, der Einsatz von Key Loggern sowie Wordlists und Rainbow Tables in Kombination mit Brute-Force-Attacks Angriffsvektoren, denen mit »klassischen« Passwörtern nicht mehr begegnet werden kann.
Fazit
Das BSI rät in seinem aktuellen IT-Grundschutz-Kompendium 2020 zu einer Abkehr von der bisherigen Empfehlung zur regelmäßigen Änderung von IT-Passwörtern. Die allmonatliche Aufforderung der Eingabe eines neuen Passwortes, die dann einen Wechsel des Logins von »paul123« auf »paul456« auslöste, dürfte damit bald der Vergangenheit angehören. Es bleibt hierbei zu hoffen, dass die neuen Passwortvorgaben in der Praxis zukünftig noch deutlich aktiver vermittelt und geschult werden.
Und auch weitere mahnende Worte des IT-Grundschutz-Kompendiums sollten von den verantwortlichen IT-Sicherheitsbeauftragten nicht leichtfertig überlesen werden: »Das Passwort darf nicht zu kompliziert sein, damit der Benutzer in der Lage ist, das Passwort mit vertretbarem Aufwand regelmäßig zu verwenden« (ORP.4.A2). Das klassische Passwort dürfte in diesem Konflikt aus Sicherheitsanspruch und Merkfähigkeit zukünftig kein leichtes Leben haben. Wie lange das »lebenslange Passwort« überleben wird, bleibt also auch zukünftig eine spannende Frage
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