Während sich viele Fragen im Umgang mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) insbesondere durch die Praxis der Aufsichtsbehörden inzwischen geklärt haben, herrscht bei Verantwortlichen häufig noch Unsicherheit im Kontext digitaler Kommunikation. Müssen alle E‑Mails verschlüsselt werden? Welche Verschlüsselungstechnik schreibt die DSGVO vor und welche Strafen drohen, wenn E‑Mails unverschlüsselt versandt werden?
“Aus den vagen gesetzlichen Formulierung einen Freibrief zu lesen, um auf die Verschlüsselung von E‑Mails zu verzichten wäre indes fatal und sollte jedem Verantwortlichen die erhebliche Höhen der Geldbußen des Artikel 83 DSGVO in Erinnerung rufen.” – Matthias Herkert
Nach Erhebungen des Digitalverbandes Bitkom gehen in Deutschland durchschnittlich 21 E‑Mails pro Tag im beruflichen Postfach jedes Beschäftigten ein. Die digitale Kommunikation über E‑Mail hat damit nach wie vor einen hohen, in vielen Branchen einen dominierenden Anteil an der betrieblichen Korrespondenz. Da in praktisch allen Fällen auch personenbezogene Daten durch die E‑Mail übermittelt werden, lohnt sich ein kritischer Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen und auf die Versandpraxis im eigenen Unternehmen.
Verschlüsselung von E‑Mails dient der Sicherheit der Verarbeitung
Ziel jeder Verschlüsselung einer E‑Mail-Korrespondenz ist es, den Inhalt der digitalen Korrespondenz für unbefugte Dritte unzugänglich vom Sender an den Empfänger zu übermitteln und so die Vertraulichkeit, Authentizität und Integrität der Kommunikation zu gewährleisten.
Die Verschlüsselung ist damit Teil der in Artikel 32 DSGVO geforderten »Sicherheit der Verarbeitung« und soll, abhängig vom jeweils individuellen Risiko der E‑Mail-Korrespondenz für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen, ein angemessenes Schutzniveau der personenbezogenen Daten gewährleisten.
Ist eine Verschlüsselung von E‑Mails gesetzlich vorgeschrieben
Eine konkrete Pflicht zur Verschlüsselung der E‑Mail-Korrespondenz ist weder in der Datenschutzgrundverordnung noch im Bundesdatenschutzgesetz enthalten. Beide Datenschutzgesetze beschrieben vielmehr die Verschlüsselung digitaler Korrespondenz als eine mögliche Maßnahme, um eine sichere Datenverarbeitung zu erreichen.
So führt § 64 Abs. 2 BDSG an, ein dem jeweiligen Risiko angemessenes Schutzniveau »könne unter anderem« durch die Verschlüsselung personenbezogener Daten erreicht werden. Artikel 32 Abs. 1 DSGVO bleibt genauso vage und stellt fest, die Verschlüsselung personenbezogener Daten könne »gegebenenfalls unter anderem« zu einem angemessenen Datenschutzniveau führen.
Aus dieser Formulierung nun einen Freibrief zu lesen, um auf die Verschlüsselung von E‑Mails grundsätzlich zu verzichten wäre indes fatal und sollte jedem Verantwortlichen nochmals die erhebliche Höhen der Geldbußen des Artikel 83 DSGVO in Erinnerung rufen.
Denn die Erreichung der gesetzlich Sicherheitsstandards zum Schutz personenbezogener Daten wird in der Praxis ohne eine entsprechende Verschlüsselung digitaler Korrespondenz meinst kaum erreichbar sein beziehungsweise entspräche wohl regelmäßig nicht mehr dem geforderten Stand der Technik.
So sind die verantwortlichen Stellen in den Unternehmen und Einrichtungen aufgerufen, den Umfang der eigenen Verschlüsselungstechniken und insbesondere auch die Art der technischen Verschlüsselung an einer risikobasierten Betrachtung der eigenen digitalen Korrespondenz auszurichten.
Risikobasierte Ansätze bei der Gestaltung der E‑Mail-Verschlüsselung
Um zu entscheiden, ob und wie (z.B. Inhaltsverschlüsselung oder Transportverschlüsselung, Schlüssellängen von 128 Bit oder 256 Bit) die betriebliche E‑Mail-Korrespondenz zu verschlüsselt ist, muss der individuelle »Schutzbedarf« der betroffenen personenbezogenen Daten bekannt sein.
Während der Fall bei »besonderer Kategorien personenbezogener Daten« i.S.d. Artikel 9 Abs. 1 DSGVO wie etwa Gesundheitsdaten noch klar ist, ist die Abwägung der Angemessenheit der Schutzmaßnahem in anderen Fällen schwerer. So kann die Überlegung, ob eine reine Terminbestätigung mit der Angabe von Datum, Uhrzeit und Ort des Treffens verschlüsselt versandt werden muss, bei einer Schreinerei anders ausfallen als bei einem auf Scheidungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt. Auch wird die Art der Verschlüsselung stark vom jeweiligen Geschäftsmodell abhängen. Wenn etwa beim Versand einer Warenrechnung an einen betrieblichen Kunden eine Transportverschlüsselung (Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung) ausreichen sein mag, wird beim Versand der Lohnabrechnung per E‑Mail an einen Arbeitnehmer sicherlich eine Inhaltsverschlüsselung (Ende-zu-Ende-Verschlüsselung) erforderlich sein.
Fazit
Auch wenn weder die DSGVO noch das BDSG einen unabdingbaren Zwang zur Verschlüsselung von E‑Mails vorsehen, werden Risikoabwägungen und Schutzbedarfsanalysen in der Praxis in den meisten Fällen den Einsatz kryptographischer Anwendungen in der E‑Mail-Korrespondenz erforderlich machen, um das gesetzlich geforderte »angemessene Schutzniveau« zu erreichen.
Die Umsetzung einer risikoadäquaten E‑Mail-Verschlüsselung ist dabei inzwischen technisch oft unkomplizierter als erwartet und ermöglicht den Umstieg auf eine verschlüsselte Kommunikation auch für kleinere Unternehmen.
Was Sie noch interessieren könnte:
Löschkonzept nach DSGVO: Warum Daten wegkönnen, ja sogar müssen!
Einleitung: Digitale „Aufheberitis“ in Unternehmen Wir alle kennen diesen einen Kollegen, der E‑Mails aus dem Jahr 2005 aufbewahrt, “weil […]
Das Berechtigte Interesse – Worauf bei der Heranziehung als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung zu achten ist
Möchte man personenbezogene Daten verarbeiten, kommt man nicht umhin, sich mit der dafür erforderlichen Rechtsgrundlage zu beschäftigen. Gerne wird […]
Neues Jahr – neue Themen…
Ein neues Jahr bringt auch eine neue Datenschutz-Agenda mit sich – Zeit um sich diejenigen Themen anzusehen, die das […]