Die stei­gen­den Fall­zah­len der Infek­tio­nen mit dem Corona-Virus brin­gen aktu­ell die bei­na­he schon wie­der ver­ges­se­ne Fra­ge des „Fie­ber­mes­sens“ bei Beschäf­tig­ten und Besu­chern als Ein­lass­vor­aus­set­zung in Unter­neh­men und Ein­rich­tun­gen auf den Tisch. Gera­de auch in der Pfle­ge und Betreu­ung von „Risi­ko­grup­pen“ scheint die täg­li­che Tem­pe­ra­tur­er­fas­sung vie­len Arbeit­ge­bern als geeig­ne­tes Mit­tel der Infek­ti­ons­prä­ven­ti­on. Das sieht das Daten­schutz­recht indes nicht immer so.

Da eine erhöh­te Kör­per­tem­pe­ra­tur jedoch kei­nes­falls den gesi­cher­ten Schluss des Vor­lie­gens einer Corona-Erkrankung zulässt son­dern viel­mehr eine bekann­te Begleit­erschei­nung vie­ler Erkran­kun­gen ist, ist die Geeig­ne­t­heit der Kör­per­tem­pe­ra­tur­mes­sung in daten­schutz­recht­li­chen Sinn zumin­dest zwei­fel­haft.” – Mat­thi­as Herkert

In zahl­rei­chen kirch­li­chen Ein­rich­tun­gen wer­den aktu­ell wie­der ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten der Infek­ti­ons­prä­ven­ti­on dis­ku­tiert, um gera­de im Bereich der Pfle­ge und Betreu­ung dem Schutz­be­darf von Risi­ko­grup­pen best­mög­lich ent­spre­chen zu können.

Kon­takt­lo­se Fie­ber­mes­sun­gen zie­len hier­bei dar­auf, bei Besu­chern und Beschäf­tig­ten Mes­sun­gen der Kör­per­tem­pe­ra­tur vor­zu­neh­men. Zwar gibt es der­zeit kei­ne gesi­cher­ten Erkennt­nis­se dar­über, ob Fie­ber ein ver­läss­li­ches Kri­te­ri­um zur Fest­stel­lung einer Corona-Infektion ist, die Tem­pe­ra­tur­kon­trol­le kann aber ein geeig­ne­tes Mit­tel sein, um Hin­wei­se auf etwa­ige Corona-Verdachtsfälle zu erhal­ten ( so u.a. auch vom Lan­des­be­auf­trag­te für Daten­schutz und Infor­ma­ti­ons­frei­heit Nordrhein-Westfalen in den FAQs zu Fra­gen und Maß­nah­men des Arbeit­ge­bers zum Schutz vor Corona-Infektionen mit Stand vom 25.03.2020 ange­führt – hier geht es zum PDF-Dokument).

Für den beson­de­ren Kon­text der Corona-Pandemie haben der Beauf­trag­te für den Daten­schutz der Evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land (EKD) und der Beauf­trag­te für den Daten­schutz der Evan­ge­li­schen Nord­kir­che Ende März 2020 fest­ge­stellt, dass zum Schutz der Gesund­heit und zur Ein­däm­mung der wei­te­ren Ver­brei­tung des Coro­na­vi­rus aus daten­schutz­recht­li­cher Sicht unter Beach­tung der Grund­sät­ze des Daten­schut­zes Maß­nah­men getrof­fen wer­den kön­nen, die auch die Ver­ar­bei­tung von Daten, mit denen Bezü­ge zwi­schen Per­so­nen und deren Gesund­heits­zu­stand her­ge­stellt wer­den kön­nen, einschließen.

Hier rückt nun also auch die Mög­lich­keit der Tem­pe­ra­tur­mes­sung wie­der in den Bereich der mög­li­chen Maß­nah­men, obwohl es sich bei den durch die­se Vor­ge­hens­wei­sen gene­rier­ten per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten um Gesund­heits­da­ten und damit um beson­de­re Kate­go­rien per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten i.S.d. § 1 Nr. 2 lit. e des Kir­chen­ge­set­zes über den Daten­schutz der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (DSG-EKD) handelt.

Rechts­grund­la­gen für die Erhe­bung der Kör­per­tem­pe­ra­tur bei Beschäf­tig­ten und Besuchern

Für die Daten­ver­ar­bei­tung von Beschäf­tig­ten i. S. v. § 4 Nr. 20 DSG-EKD kann die Ver­ar­bei­tung grund­sätz­lich auf § 13 Abs. 2 Nr. 2 DSG-EKD sowie § 49 Abs. 1 DSG-EKD gestützt wer­den. Da § 49 DSG-EKD die Daten­ver­ar­bei­tung im Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis abschlie­ßend regelt, ist eine Inan­spruch­nah­me von Vor­aus­set­zun­gen aus § 6 DSG-EKD, anders als etwa unter der DSGVO oder dem katho­li­schen Gesetz über den Kirch­li­chen Daten­schutz (KDG), nicht möglich.Über die Öff­nungs­klau­sel des § 49 Abs. 1 DSG-EKD kön­nen spe­zi­el­le Rechts­vor­schrif­ten als Rechts­grund­la­ge der Daten­ver­ar­bei­tung jedoch in Betracht kommen.

In Fäl­len, in denen per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten von Drit­ten (z.B. Besu­chern) ver­ar­bei­tet wer­den sol­len, ergibt sich die Berech­ti­gung über die Für­sor­ge­pflicht zur Ver­an­las­sung not­wen­di­ger Schutz­maß­nah­men zur Ver­hin­de­rung und Ein­däm­mung anste­cken­der Krank­hei­ten für die grund­sätz­li­che Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten aus § 6 Nr. 7, 8 DSG-EKD i.V.m. § 6 Nr. 4 DSG-EKD. Die Ver­ar­bei­tung von Gesund­heits­da­ten ist auf § 13 Abs. 2 Nr. 9 DSG-EKD zu stüt­zen, da die Für­sor­ge­pflicht i.S.d. Gesund­heits­vor­sor­ge nach wohl h.M. als öffent­li­ches Inter­es­ses im Bereich der öffent­li­chen Gesund­heit anzu­se­hen ist.

In allen Fäl­len ist jedoch zu beach­ten, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 DSG-EKD for­dert, dass die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten mit Blick auf die Erfül­lung der Ver­ar­bei­tungs­zwe­cke ver­hält­nis­mä­ßig und geeig­net sein muss.

Da eine erhöh­te Kör­per­tem­pe­ra­tur des Betrof­fe­nen jedoch kei­nes­falls den gesi­cher­ten Schluss des Vor­lie­gens einer Corona-Erkrankung zulässt, viel­mehr eine bekann­te Begleit­erschei­nung vie­ler Erkran­kun­gen ist, und umge­kehrt eine bestehen­de Corona-Erkrankung nicht zwangs­läu­fig in jedem Fall zu einer erhöh­ten Kör­per­tem­pe­ra­tur füh­ren muss, ist die Geeig­ne­t­heit der Kör­per­tem­pe­ra­tur­mes­sung in daten­schutz­recht­li­chen Sinn zumin­dest zweifelhaft.

Unei­nig­keit bei der Fra­ge der Temperaturmessungen

Wäh­rend etwa der Lan­des­be­auf­trag­te für den Daten­schutz und die Infor­ma­ti­ons­frei­heit aus Rheinland-Pfalz und der Lan­des­be­auf­trag­te für den Daten­schutz in Sachsen-Anhalt sich gegen eine zumin­dest grund­sätz­li­che Eig­nung der Kör­per­tem­pe­ra­tur­mes­sun­gen aus­spre­chen, stellt der Lan­des­be­auf­trag­te für Daten­schutz und Infor­ma­ti­ons­frei­heit in Nordrhein-Westfalen fest, dass Tem­pe­ra­tur­kon­trol­len ein geeig­ne­tes Mit­tel sein kön­nen, um Hin­wei­se auf etwa­ige Corona-Verdachtsfälle zu erhal­ten und macht die Zuläs­sig­keit vom Ergeb­nis geeig­ne­ter Ein­zel­fall­be­trach­tun­gen abhän­gig. In die­sem Sinn führt auch der Daten­schutz­be­auf­trag­te für Kir­che und Dia­ko­nie für Sach­sen, Thü­rin­gen und Sachsen-Anhalt in sei­nen „Hin­wei­se zur Ver­ar­bei­tung von Daten zum Schutz vor anste­cken­den Krank­hei­ten“ vom 19.05.2020 aus, dass kon­takt­lo­se Fie­ber­mes­sun­gen am Ein­gang zu Betriebs­ge­län­den oder Gebäu­den unter den Vor­aus­set­zun­gen § 13 Abs. 2 Nr. 2 DSG-EKD gerecht­fer­tigt sein kön­nen, jedoch immer einer Ein­zel­fall­prü­fung zu unter­zie­hen sei.

Alter­na­ti­ve Maß­nah­men um der Für­sor­ge­pflicht nach­zu­kom­men, die im Rah­men der durch­zu­füh­ren­den Inter­es­sen­ab­wä­gun­gen zu betrach­ten sind, wie  etwa die z.T.  von den Auf­sichts­be­hör­den vor­ge­schla­ge­nen wie­der­hol­ten Hin­wei­se an die Beschäf­tig­ten, dass bei Ver­spü­ren grip­pa­ler Sym­pto­me der Arbeibt fern­zu­blei­ben und ein Arzt auf­zu­su­chen sei, erschei­nen zumin­dest bei den aktu­ell rasch stei­gen­den Infek­ti­ons­zah­len und der ste­ten Aus­wei­tung von „Risi­ko­ge­bie­ten“ durch das Robert Koch-Institut (RKI) im Kon­text der Pfle­ge kaum ausreichend.

Daten müs­sen nicht gespei­chert werden

Im Umgang mit den erho­be­nen Gesund­heits­da­ten der Beschäf­tig­ten und Besu­cher ist davon aus­zu­ge­hen, dass der Ver­ar­bei­tungs­zweck mit dem Abschluss der Mes­sung erreicht ist. Eine wei­te­re Ver­ar­bei­tung der Daten wird regel­mä­ßig weder erfor­der­lich noch zuläs­sig sein, da die Fie­ber­mes­sun­gen ledig­lich der Fest­stel­lung die­nen kön­nen, ob dem Betrof­fe­nen am jewei­li­gen Tag der Mes­sung Zutritt gewährt wer­den soll. Die Daten sind daher, unab­hän­gig vom Mess­ergeb­nis, gem. § 5 Abs. 1 nur. 5 S. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 DSG-EKD unmit­tel­bar nach der Mes­sung zu löschen. Dies setzt so weit vor­aus, dass all­ge­mein aner­kann­te „Grenz­wer­te“ der Mes­sun­gen fest­zu­le­gen sind, sowie die Maß­nah­men, die im Fall einer Über­schrei­tung grei­fen sol­len (z.B. zwei­te Mes­sung, Zutritts­ver­bot gegen­über Beschäf­tig­ten und Besu­chern, Auf­for­de­rung / Anord­nung eines Arzt­be­su­ches zur wei­te­ren Abklä­rung bei Beschäftigten).

Infor­ma­ti­ons­pflich­ten erfüllen

Die Infor­ma­ti­ons­pflich­ten bei der Daten­er­he­bung i.S.d. § 17 DSG-EKD sind in die­sen Fäl­len unbe­dingt zu beach­ten. Hier macht es in jedem Fall Sinn, die mit der Mes­sung beauf­tra­gen Per­so­nen durch den Daten­schutz­be­auf­trag­ten unter­wei­sen zu las­sen, damit die zu erwar­ten­den Fra­gen mög­lichst direkt und unkom­pli­ziert beant­wor­tet wer­den können.

Fazit

Kon­takt­lo­se Kör­per­tem­pe­ra­tur­mes­sun­gen sind sowohl im Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis wie auch gegen­über Besu­chern ein daten­schutz­recht­lich kri­ti­sches The­ma. Wäh­rend das The­ma in den ver­gan­ge­nen Mona­ten von Daten­schüt­zern und den meis­ten Auf­sichts­be­hör­den eher kri­tisch gese­hen wur­de, kann das aktu­el­le Infek­ti­ons­ge­sche­hen und der im Bereich der Pfle­ge und Betreu­ung völ­lig regel­mä­ßi­ge Umgang mit Risi­ko­grup­pen den Ein­satz ent­spre­chen­der Gerä­te der­zeit wohl rechtfertigen..

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Autor des Artikels:

Matthias Herkert

Leiter Fachbereich Consulting und externer Datenschutzbeauftragter