Die Zulässigkeit digitaler Entgeltabrechnungen
Es ist mittlerweile üblich, dass wir Rechnungen und Dokumente digital erhalten. Zu denken sind an Rechnungen von Mobilfunk- oder Stromanbietern oder recht neu auch das eRezept oder die eAU. Stutzig werden wir, wenn die Entgeltabrechnung von Arbeitgebern digital zur Verfügung gestellt wird. In einer Cloud. Papierlos. Ob der Arbeitgeber die Digitalisierung ohne Einwilligung der Beschäftigten vornehmen kann, schauen wir uns im Folgenden an.
Die Vorteile eines cloudbasierten Personalwirtschaftssystems für den Arbeitgeber liegen auf der Hand. Weniger Manpower, weniger Papier, Zeiteinsparung. Die Beschäftigten erhalten Zugangsdaten für ein cloudbasiertes Mitarbeiterportal. Dort sind die monatlichen Entgeltabrechnungen hinterlegt, von den Beschäftigten jederzeit einsehbar und bereit zum Download. Die Cloud ist über den Browser erreichbar, häufig auch über eine zugehörige App. Je nach Ausgestaltung der Anwendung können darüber hinaus weitere Personendaten eingegeben und übermittelt werden, z.B. Krankheits- oder Urlaubstage.
Im Datenschutz war die bisher die Ansicht verbreitet, dass Entgeltabrechnungen nur mit Einwilligung der Beschäftigten digital über ein Mitarbeiterportal zur Verfügung gestellt werden dürfen. – Eileen Binder
Pflicht zur Bereitstellung durch den Arbeitgeber
- 108 Abs. 1 Satz 1 GewO bestimmt, dass Arbeitgeber bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen haben. Gibt das Gesetz die Textform vor, so müssen in diesem Fall die Entgeltabrechnungen auf einem dauerhaften Datenträger abgelegt werden (§126b BGB).
Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich sowie geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Beide Voraussetzungen treffen sowohl auf die postalisch zugestellten als auch auf die in einem Mitarbeiterportal abgelegten Entgeltabrechnungen zu. Vorausgesetzt das Portal ist derart eingerichtet, dass die Unterlagen tatsächlich nicht mehr rückwirkend geändert werden können und der Arbeitgeber auch keinen Zugriff darauf hat.
Die Entgeltabrechnungen müssen den Beschäftigten zugehen, so dass sie unter normalen Umständen Kenntnis davon erlangen können (§ 130 BGB). Die Kenntnisnahme setzt bei der digitalen Zustellung das vorherige Wissen der Beschäftigten voraus.
Postalisch oder digital
Kann der Arbeitgeber nun die postalische Zustellung selbstständig durch eine digitale Bereitstellung der Entgeltabrechnungen ersetzen und müssen Beschäftigte dies so akzeptieren?
Im Datenschutz war bisher die Ansicht verbreitet, dass Entgeltabrechnungen nur mit Einwilligung der Beschäftigten digital über ein Mitarbeiterportal zur Verfügung gestellt werden dürfen. Willigen Beschäftigte nicht ein, hat weiterhin die postalische Zustellung zu erfolgen. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, aufgrund der oben genannten Vorteile, war vorerst nicht anzunehmen, höchsten in Zukunft mit fortschreitender Digitalisierung und damit auch Gewöhnung der Beschäftigten an digitale Bereitstellungen, selbst sensibler und wichtiger Unterlagen wie den Entgeltabrechnungen.
Zur Klärung der Frage hat sich jüngst das LAG Niedersachsen (Urt. v. 16.01.2024 – Az. 9 Sa 575/23) geäußert und damit die Richtung im Umgang mit der digitalen Bereitstellung gewiesen. Das Gericht entschied:
„Eine in Textform erteilte Entgeltabrechnung geht dem Arbeitnehmer aber nur dann im digitalen Mitarbeiterpostfach im Sinne von § 130 BGB zu, wenn er hierzu sein Einverständnis gegeben hat. Andernfalls muss er nicht damit rechnen, dass ihm Entgeltabrechnungen auf digitalem Weg übermittelt werden.“ (hier geht’s direkt zum Urteil)
Die Bereitstellung von Entgeltabrechnungen in digitalen Mitarbeiterportalen ist demnach weiterhin nur mit einer vorherigen Einwilligung der Beschäftigten möglich.
Das Urteil des LAG Niedersachsen ist noch nicht rechtskräftig. Aufgrund der eingelegten Revision ist der Fall aktuell beim Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung anhängig.
Fazit
Die Bereitstellung von Entgeltabrechnungen über ein digitales Mitarbeiterportal ist möglich. Voraussetzung ist jedoch die individuelle Einwilligung der Beschäftigten. Die Bereitstellung aufgrund von einer Betriebsvereinbarung oder aufgrund eines berechtigten Interesses ist nicht zulässig.
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