Beim Verkauf eines Unternehmens stellt der vorhandene Stamm personenbezogener Kundendaten nicht selten ein wesentliches Asset dar und ist somit ein für den Kaufpreis entscheidendes Kriterium. Sollen die Daten an den Erwerber übermittelt werden, ist der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den möglichen Rechtsgrundlagen für die Datenübermittlungen und was dabei beachtet werden sollte.
“Was sich mit der Einholung der Einwilligungen unkompliziert anhört, wird jedoch in der Praxis kaum umsetzbar sein. Nicht nur die dafür erforderliche Logistik werden die allermeisten Unternehmen nicht bereitstellen können.” – Eileen Binder
Share Deal oder Asset Deal
Die datenschutzrechtliche Beurteilung des Sachverhalts bei Unternehmensveräußerungen hängt davon ab, um welche Art der Veräußerung es sich handelt und in welchem Verkaufsstadium sie sich befindet.
Zu Unterscheiden sind zum einen der Asset und der Share Deal. Beim Share Deal erfolgt der Unternehmenskauf durch den Erwerb von Anteilen (= Shares) der zum Verkauf stehenden Gesellschaft. Beim Asset Deal werden dagegen einzelne Vermögenswerte eines Unternehmens auf ein anderes Unternehmen übertragen. Mitarbeiterdaten, aber insbesondere auch Kundendaten können in diesen Fällen ganz wesentliche Vermögenswerte (= Assets) darstellen, letztere insbesondere dann, wenn Sie das Kerngeschäft ausmachen. Die personenbezogenen Daten werden durch den Verkauf einer neuen verantwortlichen Stelle zugeordnet. Datenschutzrechtlich liegt hierbei eine Datenübermittlung und damit eine Verarbeitung nach Art. 4 Abs. 2 DSGVO vor. Dieser Beitrag soll sich allein auf den Asset Deal konzentrieren.
Sowohl während der Due Diligence, also während der Prüfung eines Betriebs auf seine rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken hin, als auch während des Signings und Closings müssen verschiedene Maßstäbe an die Wahrung des Datenschutzes gelegt werden.
Die Gemeinsamkeit in jedem Stadium der Verkaufsverhandlungen liegt darin, dass für die Zulässigkeit der Datenübermittlung eine Rechtsgrundlage benötigt wird.
Einwilligung, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO
Liegen Einwilligungen der betroffenen Personen vor, können die Daten an den Erwerber übermittelt werden. Ist ein Unternehmensverkauf geplant, ist darauf zu achten, ausreichend früh Kunden und Mitarbeiter zu informieren und die Erlaubnis einzuholen, die Datensätze an den Erwerber übergeben zu dürfen. Mit der entsprechenden Einwilligung erledigt sich die Frage nach der Zulässigkeit der Datenübermittlung auch in den weiteren Verhandlungsschritten. Die personenbezogenen Daten können offengelegt und übermittelt werden.
Was sich mit der Einholung der Einwilligungen unkompliziert anhört, wird jedoch in der Praxis kaum umsetzbar sein. Nicht nur die dafür erforderliche Logistik werden die allermeisten Unternehmen nicht bereitstellen können. Abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter und der Größe des Kundenstamms müsste entsprechend Zeit eingeplant werden, um alle Einwilligungen einzuholen. Personen, deren Daten nicht übermittelt werden sollen, müssten vorab vor Zugriffen durch den Erwerber geschützt werden. Viel wesentlicher dürfte regelmäßig sein, dass weder gegenüber den Kunden noch den Mitarbeitern der (mögliche) Unternehmensverkauf offengelegt werden soll, um keinesfalls Kündigungen wichtiger Mitarbeiter zu provozieren, noch ein Abwandern von teilen des Kundenstamms zu riskieren.
Das Einholen von Einwilligungen als Grundlage der notwendigen Datenübermittlungen scheitet daher in der Praxis fast regelmäßig aus, weshalb auf mögliche alternative Rechtsgrundlagen zurückgegriffen werden muss.
Zur Erfüllung eines Vertrages, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO
Sollen laufende Kundenverträge auf den Erwerber übergehen, bietet sich eine Vertragsübernahme an. Die Datenübermittlung ist dann zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO erforderlich. Die vertragliche Legitimierung setzt allerdings voraus, dass die Kunden selbst Vertragspartei sind und dass die Geschäfte durch den Erwerber identisch fortgeführt werden.
Berechtigtes Interesse, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO
Ist das Einholen von Einwilligungen zu aufwendig und lässt sich die Übermittlung der Daten nicht vertraglich rechtfertigen, kann das verkaufende Unternehmen ein berechtigtes Interesse daran haben, die Mitarbeiter- und Kundendaten an den Erwerber zu übergeben.
Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (= DSK) hat mit Beschluss vom 24.05.2019 bestätigt, dass die Übermittlung von Kundendaten auf Grundlage eines berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO möglich ist. In dem Beschluss hat sich die DSK auf einen Katalog von Fallgruppen verständigt, die im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f i.V.m. Art. 4 DSGVO bei einem Asset Deal zu berücksichtigen sind.
Die Fallgruppen zeigen, dass der Ausgang der Interessenabwägung abhängig von der Aktualität der Vertragsbeziehungen als auch von der Art der zu übertragenden Daten ist. Welche Fallgruppen gebildet wurden und ob der Asset Deal schlussendlich tatsächlich ohne Einwilligung zustande kommen kann, können Sie in Teil II der Artikelreihe „Datenübermittlung beim Asset Deal“ nachlesen.
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