Die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen hat gegen die notebooksbilliger.de AG ein Bußgeld über 10,4 Millionen Euro wegen rechtsgrundlosen Videoüberwachungen der Mitarbeitenden und Kunden verhängt. Mit dem höchsten Bußgeld, das die LfD Niedersachsen unter Geltung der DSGVO bislang verhängt hat, rückt für viele Unternehmen die kritische Beurteilung der eigenen Videoüberwachungsanlagen erneut in den Fokus – hier lohnt es sich, genau hinzusehen.
“Videoüberwachungen sind ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, da damit theoretisch das gesamte Verhalten eines Menschen beobachtet und analysiert werden kann.” – Matthias Herkert
Über die Bedeutung von Videoüberwachungen haben wir in den vergangenen Monaten unter anderem in unserem Beitrag zur „Videoüberwachung durch nicht öffentliche Stellen“ und in der Darstellung der Prüfsystematik der Aufsichtsbehörden für Videoüberwachungsanlagen („15 Fragen zur Videoüberwachung“) berichtet. Mit dem bislang noch nicht rechtskräftigen Bußgeldbescheid der LfD Niedersachsen hat das Thema in der Praxi nochmals an Brisanz gewonnen.
Verhinderung von Straftaten und Überwachung des Warenflusses
Nach Aussage des Unternehmens zielte die bereits seit mindestens zwei Jahren betriebene Videoüberwachung ausschließlich auf die Verhinderung von Diebstählen sowie zur Überwachung und Nachverfolgung des Warenflusses in den Lagern.
Hier führt die LfD Niedersachsen an, dass gerade zur Diebstahlvermeidung die Installation und der Betrieb einer Videoüberwachungsanlage erst nach Prüfung milderer Mittel, wie etwa stichprobenartiger Taschenkontrollen beim Verlassen der Betriebsstätten, zulässig sei. Zudem sei eine Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten nur rechtmäßig, wenn sich ein begründeter Verdacht gegen konkrete Personen richte. Eine anlasslose und, wie im Fall der notebooksbilliger.de AG dauerhafte, Videoüberwachung stelle alle Beschäftigten und Kunden unter einen unzulässigen Generalverdacht.
Ebenfalls angemahnt wurde die unangemessen lange Speicherung der Videoaufzeichnungen von bis zu 60 Tagen, die für die Erfüllung der angeführten Zwecke nicht vertretbar sei.
Harte Linie der Aufsichtsbehörden bei Videoüberwachungen
Videoüberwachungen sind nicht erst seit in Kraft treten der DSGVO ein kritisches Thema zwischen Aufsichtsbehörden und Unternehmen. Während sich bei den Gerichten, zuletzt unter anderem im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28 März 2019 (BAG, 28.03.2019 — 8 AZR 421/17), eine gewissen „Toleranz“ und „Arbeitgeberfreundlichkeit“ erkennen ließ, halten die Aufsichtsbehörden an ihrem bereits unter dem nationalen Datenschutzrecht des BDSG (alt) eingeschlagenen Weg fest. Videoüberwachungen sind und bleiben ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, da damit theoretisch das gesamte Verhalten eines Menschen beobachtet und analysiert werden kann, was letztlich dazu führen mag, dass Betroffene den Druck empfinden, sich möglichst unauffällig zu benehmen, um nicht wegen abweichender Verhaltensweisen kritisiert oder sanktioniert zu werden. Beschäftigte müssen, wie die LfD Niedersachsen in ihrer Pressmitteilung ausführt, ihre Persönlichkeitsrechte nicht aufgeben, nur weil ihr Arbeitgeber sie unter Generalverdacht stellt.
Das Bußgeld bleibt – wird sich die Höhe ändern?
Das von der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen ausgesprochene Bußgeld ist noch nicht rechtskräftig. Und auch (oder gerade) wenn die notebooksbilliger.de AG ihre Videoüberwachung inzwischen rechtmäßig ausgestaltet hat, ist doch kaum davon auszugehen, dass das Bußgeld ohne Einspruch rechtskräftig wird – der Fall wird die Gerichte beschäftigen. Ob dabei, wie im Urteil des LG Bonn vom 11. November 2020 (LG Bonn, 11.11.2020 — 29 OWi 430) aus einer anfänglichen Bußgeld gegen 1&1 in Höhe von 9,55 Millionen Euro wegen nicht angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten eine Geldbuße von (im direkten Vergleich „lediglich“) 900.000 Euro wird, wird sich zeigen müssen. Spannend wird die weitere Entwicklung des Falles für die Praxis in jedem Fall, da die Signalwirkung von Bußgeldern in Millionenhöhen kaum überschätzt werden kann.
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