Kehren Arbeitnehmer nach längerer Krankheit an ihren Arbeitsplatz zurück, ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, mit Zustimmung und unter Beteiligung der betroffenen Arbeitnehmer Möglichkeiten für eine langfristige Rückkehr in das Unternehmen und an den Arbeitsplatz zu klären. Das Verfahren rund um das betriebliche Eingliederungsmanagement führt zwangsweise zur Erhebung sensibelster Gesundheitsdaten. Arbeitgeber müssen höchste Sorgfalt im Umgang mit den Daten walten lassen und besondere Vorkehrungen treffen. Das beginnt schon bei der Einladung zum BEM-Gespräch.
“Die Zustimmung zum BEM-Gespräch wird mit der datenschutzrechtlichen (vorherigen) Einwilligung verwechselt, die im üblichen Sprachgerbrauch oft mit dem allgemeinen Oberbegriff „Zustimmung“ bezeichnet wird und irrtümlich zur Annahme einer solchen führt. Das Ergebnis ist ein zusammengewürfeltes Zustimmungsschreiben an den Arbeitnehmer mit Elementen des SGB und der DSGVO.” – Eileen Binder
Die Pflicht, das betriebliche Eingliederungsmanagement (= BEM) dem Arbeitnehmer vorzuschlagen, ergibt sich aus § 167 SGB IX. Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers die Möglichkeiten, unter anderem wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
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Mit Zustimmung der betroffenen Person
Für das BEM ist die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Die Teilnahme ist freiwillig, eine Ablehnung darf nicht mit negativen Konsequenzen verbunden sein, kann aber unter Umständen den Entschluss zur krankheitsbedingten Kündigung beschleunigen. Es bietet sich daher an, gemeinsam mit der Einladung zum BEM-Gespräch, die Zustimmung zur Teilnahme einzuholen.
Diese Zustimmung darf nicht mit der datenschutzrechtlichen Einwilligung verwechselt werden. Die Zustimmung nach § 167 SGB IX ist als Zustimmung zum BEM-Verfahren zu verstehen. Bevor die Möglichkeiten zur Eingliederung geklärt werden, ist der Arbeitnehmer in der Zustimmungserklärung auf die Ziele des BEM hinzuweisen.
Einwilligung in die Personendatenverarbeitung
In der Praxis führt die oben genannte Zustimmung regelmäßig zu Missverständnissen. Die Zustimmung zum BEM-Gespräch wird mit der datenschutzrechtlichen (vorherigen) Einwilligung verwechselt, die im üblichen Sprachgerbrauch oft mit dem allgemeinen Oberbegriff „Zustimmung“ bezeichnet wird und irrtümlich zur Annahme einer solchen führt. Das Ergebnis ist ein zusammengewürfeltes Zustimmungsschreiben an den Arbeitnehmer mit Elementen des SGB und der DSGVO (bzw. des KDG oder DSG-EKD).
Da das Verfahren zwingend mit der Verarbeitung höchst sensibler Personendaten einhergeht, ist daneben eine rein datenschutzrechtliche (vorherige) Einwilligung in die Verarbeitung der im Rahmen des BEM verarbeiteten Daten einzuholen. Die Einwilligung erfolgt schriftlich. Inhaltlich muss der Arbeitnehmer einen genauen Überblick darüber erhalten, welche personenbezogenen Daten zu welchem Zweck für wie lange verarbeitet werden und an wen die Daten übermittelt werden (vgl. auch unten Datenschutz-Information).
Rechtsgrundlage
Rechtsgrundlage für die zulässige Datenverarbeitung der besonders sensiblen Gesundheitsdaten ist die datenschutzrechtliche Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO i.V.m. Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO (für den kirchlichen Datenschutz entsprechend die Rechtsgrundlagen: § 6 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 11 Abs. 2 lit. a KDG; § 6 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 DSG-EKD). Zwar beruht die Verarbeitung auf der sich aus § 167 SGB IX ergebenden gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers, ein BEM-Verfahren anbieten zu müssen. Das bezieht sich jedoch nur auf Personendaten, die zwingend erforderlich sind. Die Abgrenzungskriterien sind in der Praxis jedoch unscharf, weshalb eine Einwilligungsgrundlage empfehlenswerter ist als die Rechtsgrundlage der Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen.
Eine Datenverarbeitung auf Grundlage des Arbeitsvertrages (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 2 BDSG; § 6 Abs. 1 lit. c KDG; § 6 Nr. 5 DSG-EKD) ist nicht denkbar. Das BEM dient nicht der Erfüllung oder Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses.
Daneben ist auch eine Betriebsvereinbarung als Rechtsgrundlage denkbar. Diese ist jedoch nur gültig, wenn sie das Schutzlevel der DSGVO, insbesondere die Grundsätze nach Art. 5 DSGVO (§ 7 KDG; § 5 DSG-EKD), erreicht. Sie eignen sich in der Praxis eher selten.
Zwecke der Verarbeitung
Zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden Personendaten von Beschäftigten erhoben, die sonst für das Beschäftigungsverhältnis nicht erforderlich sind. Es handelt sich dabei hauptsächlich um (teils detaillierte) Gesundheitsdaten. Diese hoch sensiblen Gesundheitsdaten unterliegen wie alle personenbezogenen Daten dem Grundsatz der Zweckgebundenheit. Die Daten dürfen nur für den Zweck verarbeiten werden, für den sie erhoben wurden und es dürfen auch nur so solche Daten erhoben werden, die tatsächlich zur ordentlichen Durchführung eines BEM benötigt werden. Das ist bei hoch sensiblen Daten umso ernster zu nehmen und muss in der Prozessorganisation stärker berücksichtigt werden (vgl. auch unten Löschfrist und Aufbewahrungsort).
Datenübermittlung an weitere Personen
Im Rahmen des BEM sind unter Umständen mehrere Beteiligte zum Verfahren hinzuzufügen. Handelt es sich bei dem Beschäftigten um einen Schwerbehinderten, ist die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen. Hat das Unternehmen einen Betriebsrat, ist auch ein Vertreter davon zu involvieren. Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.
Die Hinzuziehung weiterer Beteiligter erfolgt jedoch nicht automatisch. Der Beschäftigte muss auch hier ausdrücklich und aktiv einwilligen. Auch diese Einwilligung ist datenschutzrechtlicher Natur. Hinzugezogene Beteiligte müssen regelmäßig einen Einblick in die BEM-Akte des Beschäftigten erhalten, um Möglichkeiten für eine langfristige Rückkehr an den Arbeitsplatz gemeinsam mit dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten klären zu können. Diese Datenübermittlung ist Kern der Einwilligung. Zusätzlich zur oben genannten Einwilligung in das BEM-Verfahren ist die Einwilligung in die Datenübermittlung an Dritte einzuholen. Es empfiehlt sich, dem Beschäftigten in der Einwilligung die Möglichkeit zu lassen, welche Vertreter er hinzuziehen möchte, und Platz für Personen seiner Wahl zu lassen.
Löschfrist
Die hoch sensiblen Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers werden – wie oben erwähnt – streng zweckbezogen verarbeitet. Fällt der Zweck weg, sind die Personendaten zu löschen. Da es sich beim BEM um ein vorübergehendes Verfahren handelt, sind die erhobenen Daten früher zu löschen als manch andere Personendaten des Arbeitsnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis. Es wird vertreten, die Daten aus dem BEM nach einem, spätestens nach drei Jahren zu löschen. Die genaue Frist ist abhängig vom Zweck des zu löschenden Datums. Lehnt der Mitarbeiter hingegen die Durchführung des BEM-Verfahrens ab oder widerruft seine Einwilligung in die Datenverarbeitung, ist die BEM-Akte unverzüglich zu vernichten. Aufbewahrt werden dürfen in diesem Fall nur noch die Daten, die zum Nachweis des ordnungsgemäßen BEM-Verfahrens in der Personalakte gespeichert sind.
Datenschutz-Information gem. Art. 13 DSGVO (§ 15 KDG; § 17 DSG-EKD)
Werden personenbezogene Daten einer betroffenen Person zum ersten Mal erhoben, ist der Verantwortliche verpflichtet eine Datenschutz-Information nach Art. 13, 14 DSGVO (§ 15 KDG; § 17 DSG-EKD) zur Verfügung zu stellen, die über den Umgang mit den Daten aufklärt. Im Rahmen des BEM werden zum jeweiligen Arbeitnehmer gehörende Gesundheitsdaten erhoben, die für das Beschäftigungsverhältnis an sich nicht erforderlich sind, vorher also nicht verarbeitet wurden. Zusätzlich zur datenschutzrechtlichen Einwilligung ist dem Arbeitnehmer daher auch eine Datenschutz-Information zur Verfügung zu stellen, welche über die Datenverarbeitung speziell während des BEM informiert. Es ist besonders darauf zu achten, dass der Beschäftigte hinreichend konkret über die Verarbeitung informiert wird. Nach stetiger Rechtsprechung genügt die Datenkategorie „Gesundheitsdaten“ nicht, die Krankheitsdaten müssen konkret benannt werden.
Aufbewahrungsort der Unterlagen
An die Aufbewahrung der Unterlagen zum BEM sind strenge Anforderungen zu stellen. Die darin enthaltenen Personendaten sind besonders schutzwürdig. Es ist davon abzuraten, die Unterlagen mit in die Personalakte zu nehmen. Dafür spricht die kürzere Aufbewahrungsfrist für BEM-Unterlagen als auch die besondere Vertraulichkeit der Unterlagen.
Die Unterlagen sollten stattdessen in einer eigenständigen Akte in einem von den Personalakten getrennten, abschließbaren Schrank verwahrt werden. Am besten nur in Papierform, nicht elektronisch. Werden sie doch elektronisch abgelegt, ist auf einen Zugriffsschutz und einen fest definierten und limitierten Personenkreis zu achten (gerade im Vertretungsfall). Zugriff sollten nur Beteiligte des BEMs haben. Ist es aus organisatorischen Gründen erforderlich, dass ein Mitglied der Personalabteilung die Unterlagen verwahrt, sollten diese Arbeitnehmer anhand einer eigenständigen Vertraulichkeitserklärung verpflichtet werden, über das BEM-Verfahren Stillschweigen zu wahren. Die Vertraulichkeitserklärung dient der Sensibilisierung des Mitarbeiters und weißt noch einmal explizit auf die Pflichten und Konsequenzen beim Verstoß gegen die Pflichten hin.
Fazit
Im Rahmen des BEM-Verfahrens obliegen dem Arbeitgeber besondere Sorgfaltspflichten im Umgang mit den sensiblen Gesundheitsdaten. Wird das Verfahren erstmalig im Unternehmen durchgeführt, kann der Datenschutzbeauftragte weiterhelfen. Es bedarf nicht nur der Zustimmung des betroffenen Beschäftigten, das BEM-Gespräch darf nur mit einer datenschutzrechtlichen Einwilligung des Beschäftigten gesucht werden. Die Einwilligung bezieht sich zum einen auf die Verarbeitung der Gesundheitsdaten, die für das BEM-Verfahren erforderlich sind, als auch auf die Übermittlung der Daten an Beteiligte, die zum Verfahren hinzugezogen werden. Zusätzlich zu Einwilligung ist der Beschäftigte in einem weiteren Dokument über die Verarbeitung zu informieren. Am besten werden die Einwilligung und die Datenschutz-Information gemeinsam mit der Zustimmung zum BEM-Gespräch und der ggf. damit gekoppelten Einladung zum Gespräch ausgegeben.
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